Am 26. Juli 2023 hat ein Militärputsch im Niger die bereits krisengebeutelte Sahelregion weiter destabilisiert. Davon ist auch das angrenzende KHW-Projektland Mali betroffen. Warum das Kinderhilfswerk Eine Welt (KHW) trotz der kritischen Lage weiterhin in Mali aktiv bleibt, wollen wir in diesem Beitrag darlegen.
Der Militärputsch ist ein Rückschlag für die Demokratie und die Bevölkerung im Niger. Nachdem der gewählte Präsident Mohamed Bazoum von den Putschisten entmachtet und inhaftiert wurde, erklärte sich der Kommandeur der Eliteeinheit, Abdourahamane Tiani, zum neuen Machthaber. Infolge der Übernahme der Macht durch Tiani hoben die Putschisten die Verfassung auf und lösten sämtliche verfassungsgemäßen Institutionen auf (Quelle: BMZ).
Was bedeutet der Putsch im Niger für Mali?
Dieser Vorfall hat nicht nur Auswirkungen auf die Menschen in Niger, sondern zieht auch einen bedrohlichen Schatten über das KHW-Projektland Mali, das bereits seit Jahren mit Instabilität und Konflikten zu kämpfen hat. Ein Aufstand von separatistischen Tuareg und Rebellen führte bereits im Jahr 2012 zu einer schweren Krise im Sahel-Land. Trotz internationaler Bemühungen und Friedensverhandlungen sind Teile des Landes nach wie vor von Gewalt durch Terrorgruppen und von politischen Unruhen betroffen. (Quelle: BMZ)
Insbesondere im nordöstlichen Teil des Landes kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Nomadisch lebende Viehzüchter und sesshafte Bauern geraten wegen fehlender Perspektiven und der Konkurrenz um Landnutzung immer wieder aneinander. Zudem sind in Mali verschiedene Terrorgruppen aktiv. Mit der zunehmenden sozioökonomischen Destabilisierung breitet sich auch der Einfluss von religiösen Fundamentalisten im Land immer mehr aus. (Quelle: BMZ & Auswärtiges Amt)
Nach zwei Militärputschen im August 2020 und Mai 2021 befindet sich das Land nun unter der Führung des Militäranführers und selbsternannten Präsidenten Assimi Goïta. Allerdings wurde 2022 ein Fahrplan für zwei Jahre festgelegt, der mehrere Wahlgänge und ein Verfassungsreferendum vorsieht. Aus diesem Grund wurden viele ausgesetzte Kooperationsprogramme in der Entwicklungszusammenarbeit mit Mali wieder aufgenommen. (Quelle: bpb & BMZ)
Der Militärputsch im Niger stellt diese fragile Stabilität nun erneut auf die Probe. Die Militärregierungen Malis und Burkina Fasos haben sich nach den Putschen klar auf die Seite der Militärregierungen in Niger gestellt. Die von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) verhängten Sanktionen gegen Niger lehnten sie ab. Dass die ECOWAS ein militärisches Eingreifen nicht ausschließt, falls die demokratische Ordnung im Niger nicht wiederhergestellt wird, verurteilten sie und betrachten jegliche militärische Intervention als eine "Kriegserklärung" gegen ihre eigenen Staaten.
Wie sinnvoll ist Entwicklungszusammenarbeit in diesem Kontext?
Trotz der instabilen Lage ist das KHW bewusst weiter in Mali tätig. Seit seinen Anfängen 1975 ist es in dem Sahelland aktiv. Gemeinsam mit den lokalen Partnerorganisationen konnten seitdem bereits zahlreiche Schulen und Gesundheitszentren im Land errichtet werden. Diese Arbeit weiterzuführen ist gerade in der aktuellen Situation enorm wichtig, denn so kann der Instabilität in der Sahelregion nachhaltig entgegengewirkt werden.
Diese Ansicht teilt auch Wolfgang Hellmich, Mitglied des Deutschen Bundestags und Obmann im Verteidigungsausschuss. Er betont die Wichtigkeit, vor Ort zu bleiben und die Sahel-Strategie mit den Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit neu auszurichten. Den Menschen in den Ländern müsse im Rahmen von mehr ziviler Zusammenarbeit eine friedliche Perspektive gegeben werden. Da die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Niger wegen der aktuellen Militärregierung aktuell ausgesetzt ist, gewinnen angrenzende Länder wie Mali noch an Bedeutung. (Quelle: Tagesschau)
Auch seitens der Bundesregierung Deutschland ist die Fortführung der zivilen Entwicklungszusammenarbeit geplant, hängt aber stark von der Erfüllung des Übergangsfahrplans, also der Wiederherstellung einer demokratischen Ordnung ab. Internationale Nichtregierung-Organisationen (NROs) wie das KHW leisten einen entscheidenden Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung vor Ort. Denn diese können zumeist möglichst nah und fern von politischen Interessen direkt mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten.
Wie trägt das KHW zur Entschärfung der Lage bei?
Die Schwerpunktbereiche Bildung und Gesundheit stellen wichtige Säulen für eine nachhaltige Entwicklung dar. In Mali setzt das KHW dies durch Bau von Schulen und Gesundheitszentren in meist abgelegenen Regionen um.
Freier Zugang zu Bildung ist nicht nur ein Menschenrecht. Grundwissen und -fähigkeiten wie Lesen und Schreiben versetzen Menschen erst in die Lage, sich zu informieren und am gesellschaftlichen sowie politischen Leben teilzuhaben. Gleichzeitig ist Bildung ein wichtiger Motor im Kampf gegen Armut, denn sie eröffnet neue Berufschancen.
Dies versuchen wir durch den Bau von Schulen in Mali zu erreichen, denn Bildung ist entscheidend für die Entwicklung der Einzelnen und des Landes, ein friedliches Zusammenleben und eine funktionierende Demokratie. Auf alle diese Ziele wirkt sich die Unterstützung für Schulen direkt aus.
Um den Bau von Schulen und die Bereitstellung von Lern- und Unterrichtsmaterialien in Mali langfristig realisieren zu können und die genannten Bildungsziele zu erreichen, sind Spenden für Mali weiterhin sinnvoll.
Der Zugang zu einer verbesserten gesundheitlichen Versorgung wirkt sich zudem direkt auf die Lebensqualität der Menschen aus. Insbesondere der hohen Sterblichkeitsrate von Müttern und Neugeborenen kann durch eine bessere präventive und kurative Gesundheitsversorgung entgegengewirkt werden. Auch dadurch können Zukunftsperspektiven verbessert und der sozioökonomischen Instabilität im Land entgegengewirkt werden.
Die Menschen in Mali unterstützen macht Sinn
Das Kinderhilfswerk Eine Welt e.V. hat bereits jahrzehntelange Erfahrung in Mali gesammelt und ein lokales Team vor Ort, das die Menschen, Gegebenheiten und Bedürfnisse wie auch die Sicherheitslage sehr gut einschätzen kann. Dadurch ist das KHW entschlossen, seine Arbeit in Mali auch trotz der jüngsten politischen Geschehnisse fortzuführen. Vielmehr betont das Team vor Ort die Notwendigkeit, die Menschen genau jetzt nicht im Stich zu lassen.
Eine lokale Mitarbeiterin, die aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden möchte, erklärt: "Die Menschen in Mali fühlen sich zurückgelassen von ihrer Regierung, welche sich mehr um Macht und militärische Interessen zu kümmern scheint als um die Entwicklung ihres Landes. Die Frustration steigt. Umso wichtiger ist, dass die Zusammenarbeit mit nahbaren Organisationen wie das Kinderhilfswerk Eine Welt als Hoffnungsanker für die Menschen bestehen und ausgebaut wird."
Darüber hinaus hat das lokale Team einen direkten Zugang zur malischen Bevölkerung, der externen und offiziellen Akteuren oftmals verschlossen bleibt. Deshalb kann das KHW unmittelbar an der Basis ansetzen und gerade in der aktuellen Situation vergleichsweise unabhängig von politischen Entwicklungen nachhaltig unterstützen.